“Shopping-Mall” und Ladensterben

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Die Attraktivität von Kaufland und Möbelpiraten durch Sanierungsarbeiten am Standort zu steigern, das ist nicht der Streitpunkt. Vielmehr scheiden sich die Geister an den kleineren Geschäften, die als “Kunden-Frequenzbringer” eingeordnet werden und dienen sollen.

Hildburghausen Handys, Tabakwaren, Blumen – dieses zusätzliche Sortiment am künftigen Kaufland-Standort sieht Bürgermeister Holger Obst problematisch. Schließlich, erklärte er am Donnerstagabend in der Stadtratssitzung, habe man eine Verantwortung gegenüber der Innenstadt und müsse sinnvoll abwägen. Und auch anderen bereitet die Erweiterung einige Kopfschmerzen, geht es eben nicht nur um eine verbesserte Zufahrt, um mehr Parkplätze und mehr Attraktivität der Verkaufseinrichtungen.

Jörg Junghanns, Projektmanager der Saller-Gruppe Weimar, erhielt als Investor im Stadtrat noch einmal die Gelegenheit, das Projekt zu erläutern. 2011 hatte das Unternehmen das Objekt in der Eisfelder Straße in Hildburghausen erworben und plant seitdem am marktgerechten Umbau. Dass der Möbelanbieter gehalten werden konnte, so Junghanns, sei für Hildburghausen ein Glück – was keiner im Raum moniert, ebenso wenig wie das geplante Küchenstudio der Möbelpiraten. Auch wenn Junghanns einmal mehr betonte, dass Innenstadt und Kaufland-Standort in einer gemeinsamen Werbestrategie vermarktet werden könnten, ist der gemeinsame Nenner eher ein kleiner. Gemeinsame Lösungen und ein harmonisches Miteinander will Junghanns, und dass die Innenstadt nicht darunter leiden möge, und er gibt sich aufgeschlossen allen Lösungsvorschlägen gegenüber.

Bernd Klering, Chef des Werberings, kann dieses Konzept inklusive der sieben zu integrierenden Shops nicht mit tragen. “Wie sind nicht gegen die Sanierung des Standorts, aber wir sind gegen eine kleine Shopping-Mall am Rande der Stadt, weil das der Tod für den innerstädtischen Einzelhandel ist”, erklärte er – und legt auch die Zahlen auf den Tisch.

Völlig überdimensioniert

Klering
Bernd Klering: Überhaupt über eine Erweiterung an diesem Standort nachzudenken, kann ein Sargnagel für die Innenstadt sein.

Klering nennt in Anlehnung der Zahlen und Fakten, die von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung auf den Tisch gelegt wurden, die bereits bestehenden Verkaufsflächen als für die Region Hildburghausen völlig überdimensioniert. Die derzeitige Verkaufsraumfläche beträgt 42 535 Quadratmeter, was 3586 Quadratmeter pro 1000 Einwohner entspricht. In Deutschland liegt diese Größenordnung im Durchschnitt bei 1794 Quadratmetern pro 1000 Einwohner. Bad Dürrenberg als vergleichbare Stadt, so Klering, habe gerade mal 940 Quadratmeter. Dazu komme der Kaufpreisindex, der in Hildburghausen mit 90 unter dem Durchschnittsniveau liege. Zum Vergleich: In Schleusingen liegt der Index bei 93,6, in Bad Rodach bei 98 und in Coburg bei 105,8. Und: Klering warnt, weil schon jetzt 14 Ladengeschäfte in “1-A-Lage” in der Innenstadt mit insgesamt 1800 Quadratmetern leer stünden.

Überproportional, so Klering, sei allein schon der Lebensmittelbereich. “Jede Art von Neuansiedlung – und auf der Kauflandfläche reden wir von nochmals 400 Quadratmetern, weiteren künftig umbauten 800 Quadratmetern und einem Shop-in-Shop-System – wirkt sich negativ auf die Stadtentwicklung aus”, erklärt der Werbering-Chef und verwies in diesem Zusammenhang in der Stadtratssitzung auch auf das seit Januar vorliegende Einzelhandelskonzept für die Stadt Hildburghausen.

Was ist zentrumsrelevant?

Dieses Konzept müsse nach Klerings Meinung zunächst als Leitlinie für die Städte- und Einzelhandelsplanerische Zukunft beschlossen werden. Es gehe um grundsätzliche Entscheidungen, die in Zukunft irreparabel seien. “In Anbetracht der vorliegenden Zahlen zu Verkaufsflächen und Innenstadt-Einzelhandel dürfen wir uns nicht mehr den kleinsten Fehler erlauben.”

Um nicht zentrumsrelevante Sortimente, die im Kaufland akzeptiert werden können, spann sich die Diskussion. Außer Bäcker und Fleischer, so Dr. Peter Nowak (Linke), gehöre dort nichts hin, jedenfalls nicht Friseur, Handy, Tabak oder Blumen. Dieser Meinung schloss sich auch Ralf Bumann (SPD) an. Für nicht zentrumsrelevante Sortimente, so Junghanns, sei aber die Fläche zu klein. Vielleicht, räumte er ein, könne man auch über Dienstleistungen nachdenken. Überhaupt würde es sich bislang nur um ein Kaufland-Konzept handeln, mit potenziellen Anbietern habe noch keiner gesprochen. Junghanns bot an, eine gutachterliche Stellungnahme dazu einzuholen: Von der Stadt in Auftrag zu geben, von der Saller-Gruppe zu bezahlen.

Zweitgeschäft lohnend?

Holger Obst: Wir brauchen jeden Frequenzbringer in der Hildburghäuser Innenstadt.
Holger Obst: Wir brauchen jeden Frequenzbringer in der Hildburghäuser Innenstadt.

Klering monierte, dass es wohl bereits Gespräche zur Abwerbung von innerstädtischem Einzelhandel für den Kaufland-Standort gegeben haben soll. Ralf Bumann dagegen meinte, es gebe auch den einen oder anderen Händler, der durchaus überlege, mit einem Zweitgeschäft im Kaufland Platz zu nehmen. Das sieht Bürgermeister Obst nun wieder eher problematisch. Natürlich, meint er, würde der Einzelhändler irgendwann das Geschäft schließen, das den geringeren Gewinn bringt, und das sei dann wohl in der Innenstadt der Fall. “Es geht hier um eine Ausdünnung der Innenstadt”, befürchtet Obst und erklärt eindeutig: “Wir brauchen jeden Frequenzbringer in der Stadt.”

Dass Holger Obst den Beschluss zur Änderung des Bebauungsplanes für das Einkaufszentrum Kaufland nach einer doch recht strittigen Diskussion mit manch Mahnung seinerseits, das sei kein Disput zwischen Klering und Junghanns, dann doch unvermittelt in den Bauausschuss zurückverweisen wollte und bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen dafür auch mehrheitliche Zustimmung fand, lässt der Vermutung freien Raum, dass das Problem nicht aufgehoben, sondern schlichtweg nur aufgeschoben wurde.

Argumente pro und kontra gab es, und die dürften sich in den nächsten Wochen wohl auch nicht ändern.

Von Gabi Bertram

Quelle:
Freies Wort
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