Leben und leben lassen
In Erwiderung auf den Leserbrief von Petra Schneider, die seit 1994 bei Kaufland arbeitet und sich durch die kontroverse Debatte über das Ladensterben in der Kernstadt angegriffen gefühlt hat, sei Folgendes klargestellt:
Die Einzelhandelskrise in Hildburghausen hat viele Väter und Mütter – die Arbeiterinnen und Arbeiter bei Kaufland, Rewe, Netto oder bei einem der anderen Supermärkte gehören ganz sicher nicht dazu. Sie machen ihre Arbeit. Alles ok.
Auch, dass die jetzige Krise durch zahlreiche Entscheidungen herbeigeführt wurde, etwa was die Verlagerung von Behörden und Dienstleistern weg vom Markt anbetrifft, ist richtig. Der Werbering thematisiert das regelmäßig.
Und natürlich ist auch nicht ein einzelner Supermarkt das Problem. Wenn der Ausbau des Kauflands die Gemüter derartig erhitzt hat, dann nicht deswegen, weil jemand etwas gegen diesen Supermarkt speziell einzuwenden hätte. Ich selber kaufe dort regelmäßig ein und bin immer wieder fasziniert von der Geschwindigkeit der Damen und Herren an der Kasse.
Wir brauchen Supermärkte in Hildburghausen, das bestreitet niemand. Aber wir brauchen ebenso einen lebendigen, kleinteiligen Fachhandel. Soll beides zusammengehen, müssen die Entscheider auf der kommunalen Ebene für einen gesunden Mix verschieden großer Anbieter sorgen, die ein sinnvolles Gesamtangebot ergeben.
Genau das ist aber in Hildburghausen nicht der Fall. Man kann nicht wegdiskutieren, dass es in und um Hildburghausen ein schon aberwitziges Überangebot an Supermärkten gibt. Wir liegen nach Verkaufsfläche weit über dem Doppelten des Bundesdurchschnitts. Zeigen Sie mir eine andere Kleinstadt mit dieser Ausstattung an Supermärkten.
Und das hat Konsequenzen für die Überlebenschancen kleinerer Anbieter. Als Vegetarier bin ich zum Beispiel sehr froh, dass es inzwischen im Kaufland eine breite Palette vegetarischer und biologisch wertvoller Produkte gibt. Auch bei Rossmann gibt es ein halbes Regal vegetarischer Brotaufstriche und dergleichen.
Für René Blechschmidt mit seinem Schön & Gesund-Laden auf dem Markt sind genau diese Entwicklungen aber ein weiterer Sargnagel gewesen. Denn die Endpreise der Discounter liegen unter den Einkaufspreisen der kleinen Anbieter. Wenn man dann noch beim Kaufland umsonst parkt, vor dem Laden von Rene Blechschmidt aber dafür bezahlen muss, ist die Messe schnell gelesen.
Leben und leben lassen muss die Devise heißen. Aber dazu gehört eben auch, dass die großen Player und die Damen und Herren in der Kommunalpolitik realistisch betrachten, welche Konsequenzen verschiedene Entscheidungen für das Gemeinwesen als Ganzes und für kleinere Marktteilnehmer haben.
Und nein, die Arbeitsplätze bei Kaufland und anderswo sind mir nicht egal. Aber auch an den 25 Geschäften, die zugemacht haben, hingen zahlreiche Existenzen. Wie gesagt: leben und leben lassen. Allerdings liegt das drückende Übergewicht, das es in Hildburghausen auszugleichen gilt, ganz sicher nicht bei den kleinen Händlern.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Kirner
1. Vorsitzender
Hildburghäuser Werbering e.V.
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